2017

by Post-it

Emily Dickinson, Gedicht #1761:

Dass es niemals wiederkehrt, das macht das Leben so süß. …

(That it will never come again is what makes life so sweet. … )


Das ist wohl die Quintessenz des Lebens, die wir 2017 in vielerlei Hinsicht schmerzhaft erfahren durften.

In unser aller Leben gibt es Tage, Monate und vielleicht auch Jahre, die wir am liebsten aus unserem Gedächtnis streichen würden. Die wir vergessen möchten. Sei es aus abgrundtiefem Kummer oder weil wir selbst uns töricht gezeigt und andere verletzt haben.

2017. Ein Jahr der Dunkelheit, des Schmerzes, der Trauer, des Auseinanderbrechens, des Verlustes und Abschieds. Keiner weiß, wie nah die Dinge einen jeden persönlich angehen. Ich selbst hadere mehr als je zuvor in meinen Überlegungen, wie sehr man sich an Einzelne und Einzelnes fesselt. Oder ob man sich besser an gar nichts mehr fesselt. Aber wenn man keine Leidenschaften mehr hegt, wird man gleichgültig, und die wachsende Gleichgültigkeit ist ein schlimmes Übel unserer Epoche.

In unserer veränderungsträchtigen Zeit werden Veränderungen nicht zu Ende gedacht. Das digitale Zeitalter ist vor allem eins: es ist schnell, maßgeschneidert und individuell. Aber individuell wird nicht gedacht und nicht gehandelt. Stattdessen wird alles ständig neu begonnen, überworfen, anders gedacht, um schlussendlich Dinge wieder genauso standardisiert -vielleicht nur einen Hauch effizienter- zu tun wie all die Jahre zuvor. Altes wird nur unter anderem schicken Namen neu verpackt.
Nichts hat mehr eine Konsequenz zur Folge. Buzzwords und vor allem Eigenmarketing beherrschen mehr denn je die Bildfläche. Gemeinschaftliche Visionen gab es einmal; heute spürt man einen solchen Geist kaum noch. Wo sind die Menschen hin, die noch inspirieren und andere mit ihrem Geist anstecken wollen anstatt Macht, Prestige und Einfluss zu erlangen? Die glaubhaft überzeugen können, gemeinsam ein Ziel erreichen zu wollen?

Wir leben vorwiegend in einer Welt der asynchronen Kommunikation. In der wir nur noch wenig persönlich miteinander reden oder schreiben und kaum noch zuhören. Stattdessen pflegen wir eine grenzenlose Begeisterung für Technologien, Algorithmen und Kennzahlen, für Systeme und Systematisieren, für Kategorien, Reihen und Register. Dinge außerhalb dieser Logiken werden gern gnadenlos an den Rand gedrängt.

Noch.

Eines Tages werden wir uns wieder besinnen. Dann zählen wieder echte, rare Freundschaft und Kollegialität statt Netzwerk, Wir statt Ich, Persönlichkeiten statt Bots, Werte statt Kennzahlen, lokal statt global, Leistung statt Inszenierung, Qualität statt Effizienz, Kontinuität statt Umbruch, Dankbarkeit statt Gleichgültigkeit.

Ich zitiere aus dem Artikel „Was ist die Krise und wer sind wir danach?“.
Ein äußerst lesenswerter Beitrag, mein Favorit des Jahres:

Erken­nen wir, dass wir die neue Welt nur gemein­sam erschaf­fen
kö­nnen. … Etwas, das von Men­schen getra­gen wird, die der Ansporn eint, etwas zu schaf­fen, was über einen selbst hin­aus­weist und so eine Ahnung von einer ande­ren Welt ver­mit­telt – einer Welt jen­seits der
Kri­se.

Ich wünsche uns ein kollektiv erfolgreiches, ein gesundes und glücklicheres neues Jahr 2018.

In stillem Gedenken an KR, CT, HD, WK, PS.